Wintergoldhähnchen
Das Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) ist eine der kleinsten Vogelarten Europas. Mit seinen etwa neun Zentimetern Körpergröße wiegt es nur zwischen vier und sieben Gramm. Es ist leicht mit dem Sommergoldhähnchen zu verwechseln, das aber anders als das Wintergoldhähnchen einen weißen Überaugenstreifen und leuchtend gelbgrüne Halsseiten besitzt. Die Reviere dieser beiden Vogelarten, die eine Vielzahl ähnlicher Verhaltensweisen haben, überlappen sich gelegentlich. Das Wintergoldhähnchen steht jedoch in keiner direkten Nahrungskonkurrenz mit dem Sommergoldhähnchen, da es sich mit seinem Nahrungsspektrum auf kleinste Beutetiere spezialisiert hat und anders als das Sommergoldhähnchen diese bevorzugt auf der Unterseite von Ästen sucht.
Wintergoldhähnchen brüten überwiegend in Nadelbäumen. Sie verwenden zum Bau ihrer Nester unter anderem Spinnstoffe aus den Eierkokons von Spinnen und den Gespinsten einiger Raupenarten und errichten dadurch ein besonders stabiles Hängenest. Es ist so gut isoliert, dass das Weibchen bei jeder Witterung bis zu 25 Minuten die zu bebrütenden Eier verlassen kann, ohne dass diese auskühlen.
Wintergoldhähnchen sind durchschnittlich etwa neun Zentimeter lang. Der Körper der Vögel wirkt stets rundlich aufgeplustert, da das Nackengefieder etwas verlängert ist und der Kopf dadurch nicht klar vom Körper abgehoben ist.
An der Körperoberseite ist das Gefieder fahl olivgrün bis gelbgrün, die Körperunterseite dagegen ist grauweiß bis graugrünlich. Die Schwungfedern sind im Vergleich zum übrigen Gefieder etwas bräunlicher. Die olivbraunen Arm- und Handdecken sind an der Spitze heller und bilden dadurch eine gelblichweiße Flügelbinde.
Beide Geschlechter haben einen auffällig, farbig abgesetzten Scheitelstreif, der an den Seiten durch kleine schwarze Federn begrenzt ist. Bei den Weibchen ist der Scheitelstreif rein gelb bis gelbgrün. Beim Männchen ist der Scheitelstreif dagegen im Zentrum orange und im Randbereich gelb. Die orangefarbenen Federchen der Mitte sind jedoch meist durch die gelben Randfedern bedeckt, so dass bei Freilandbeobachtungen die Geschlechter häufig nicht zu unterscheiden sind.
Das Gefieder des Gesichts ist hell und anders als beim Sommergoldhähnchen verläuft kein dunkler Strich über das Auge hinweg. Die Iris ist dunkel und durch das umgebende helle Federkleid klar abgehoben. Der Schnabel ist von dunkler Farbe, die Nasenlöcher sind durch zwei Borstenfedern verdeckt.
Einige Körperbaumerkmale weisen auf die hohe Anpassung an das Leben in Nadelwäldern hin. Ähnlich wie bei der gleichfalls in Nadelwaldbeständen vorkommenden Tannenmeise hat auch das Wintergoldhähnchen eine lange und stark gebogene Rückwärtskralle. An den Fußsohlen befinden sich stark ausgeprägte Zehenschwielen. Beim Sommergoldhähnchen sind diese dagegen schwächer ausgebildet.
Wintergoldhähnchen vermeiden in der Regel ein Überfliegen größerer deckungsfreier Strecken. Sind sie doch dazu gezwungen, erinnert ihr Flug an den wellenförmigen von Tannenmeisen. An ihrem Zielort landen sie an den Stellen, an denen die Zweige sehr eng beieinander stehen.
Der Gesang und die Rufe der Wintergoldhähnchen sind so hoch, dass sie von vielen Menschen gar nicht oder nur in unmittelbarer Nähe wahrgenommen werden können. Tonbandaufnahmen und Sonagrammanalysen sind daher wesentliche Hilfsmittel zur Untersuchung der Lautäußerungen des Wintergoldhähnchens.
Stimmäußerungen wie Stimmfühl-, Warn- und Flugrufe, die nicht im Zusammenhang mit der Fortpflanzung stehen, sind bei Wintergoldhähnchen und Sommergoldhähnchen weitgehend ähnlich. Dies begünstigt wahrscheinlich die gelegentlich im Winter zu beobachtende Schwarmbildung der beiden Arten. Die deutlich unterschiedlichen Lautäußerungen beim Reviergesang verhindern dagegen eine Hybridisierung der beiden Arten, deren Reviere sich gelegentlich überlappen.
Der Reviergesang wird nur vom Männchen vorgetragen; er ist besonders häufig von solchen Männchen zu hören, die gerade im Brutrevier angekommen sind und noch keine Partnerin haben. Anders als viele andere Vogelarten trägt das Wintergoldhähnchen seinen Reviergesang nicht von einer exponierten Warte aus vor. Sie lassen ihren Gesang vielmehr während der Nahrungssuche erklingen und unterbrechen sie jeweils kurz, wenn sie ein Beutetier gefunden haben. Wie häufig er über die Fortpflanzungsperiode zu hören ist, ist individuell unterschiedlich. Er ist meist das letzte Mal zu hören, wenn die Jungvögel der zweiten Jahresbrut flügge werden.
Der Reviergesang besteht aus wispernden, im Gegensatz zum Sommergoldhähnchen nicht in der Tonhöhe ansteigenden, sondern rhythmisch in der Tonhöhe stetig an- und absteigenden Elementen. Er endet mit einem kurzen Triller, der individuell verschieden ist. Häufig enthalten diese Endschnörkel fremdimitierte Elemente wie etwa das hüid des Zilpzalps oder das pink des Buchfinks. Reviernachbarn und Partner erkennen sich an ihrem Endtriller. Das Vorspielen eines Endtrillers, der nicht von einem Reviernachbarn stammt, löst bei den Männchen ein deutliches, aggressives Verhalten aus. Auf den Endtriller eines Reviernachbars reagieren die Männchen dagegen kaum.[4] Jungvögeln ist der Gesang nur teilweise angeboren; sie erlernen den vollständigen Gesang etwa ab dem 10. Lebenstag und haben ihn bis zum Ausfliegen aus dem Nest erlernt.
Während der Reviergesang nur von Männchen vorgetragen wird, ist der Plaudergesang von beiden Geschlechtern zu hören. Sie lassen diesen schwätzenden, leisen Subsong, bei dem sie viele andere Arten imitieren, kontinuierlich hören. Es handelt sich um ein melodiöses, sehr hoch vorgetragenes leises „sisisis“. Er ist im Gegensatz zum Reviergesang vollständig angeboren.
Das Wintergoldhähnchen ist ein Brutvogel Europas, Vorderasiens, Südwestsibiriens sowie der Gebirge Mittel- und Zentralasiens und brütet auch in Japan. Seine Gesamtverbreitung ist mit der der Fichte (Picea abies) weitgehend identisch. In diesem großen Verbreitungsgebiet weist diese Vogelart jedoch einige Verbreitungslücken auf. So fehlt es zum Beispiel in weiten Teilen Spaniens sowie in Osteuropa.
Je nach Autor werden zwischen 12 und 15 Unterarten unterschieden, wobei die im Osten vorkommenden Arten etwas größer sind. Die Nominatform Regulus regulus regulus ist die in Kontinentaleuropa beheimatete. Von ihr unterscheidet sich die in Großbritannien und Irland vorkommende Unterart R. r. anglorum durch ein etwas dunkleres Gefieder. Auf den Azoren kommen mit R. r. azoricus, R. r. sanctamariae und R. r. inermis drei Unterarten vor. Die auf Teneriffa vorkommenden Kanarengoldhähnchen R. (r.) teneriffae wurden früher dem Sommergoldhähnchen zugerechnet. Auf Grund von Verhaltensweisen, den Lautäußerungen sowie dem Reviergesang ordnet man diese Unterart mittlerweile jedoch gleichfalls den Wintergoldhähnchen zu, bzw. betrachtet sie als eigenständige Art.
Das von Nord- bis Mittelamerika verbreitete Goldkrönchen wurde früher gelegentlich als eine weitere Unterart des Wintergoldhähnchens angesehen. Dieses ist in Verhalten und Aussehen dem Wintergoldhähnchen ähnlich, weist aber insbesondere an der Kopfzeichnung auch Ähnlichkeit mit dem Sommergoldhähnchen auf. Nach heutigem Wissensstand ist es als eigenständige Art anzusehen.