VÖGEL

Die Vögel sind – nach traditioneller Taxonomie – eine Klasse der Wirbeltiere, deren Vertreter als gemeinsame Merkmale unter anderem Flügel, eine aus Federn bestehende Körperbedeckung und einen Schnabel aufweisen. Vögel leben auf allen Kontinenten. Bislang sind über 10.758 existente rezente Vogelarten bekannt, zusätzlich sind 158 Arten in historischer Zeit ausgestorben. Bei Anwendung des moderneren, phylogenetischen Artkonzepts kommt man auf etwa 18.000 (15.845 bis 20.470) Vogelarten und auch genetische Daten deuten auf eine in etwa doppelt so hohe Anzahl von Vogelarten hin. Die Wissenschaft von den Vögeln ist die Vogelkunde (Ornithologie).

Vögel haben wie alle Landwirbeltiere (Tetrapoda) zwei Paar Extremitäten, wovon die vorderen bei Vögeln zu Flügeln umgebildet sind.

Das Gefieder bestimmt das äußere Gesamtbild der Vögel wesentlich: Der Körper ist von Federn bedeckt. Diese Strukturen aus Keratin dienen beim Fliegen als Tragfläche und Steuerfläche, einer aerodynamisch günstigen Verkleidung des Körpers und als Isolation, die sogar, meist je nach Temperatur und Wind, veränderbar ist. Ferner hat das Gefieder Farben und dient oft der sexuellen Werbung. Bei Wasservögeln ist es wasserabweisend und sorgt für Auftrieb. Das Gefieder wird zu bestimmten Zeiten (Mauser) gewechselt. Des Weiteren sind bei allen Vögeln die Beine durch Hautschuppen bedeckt.

Alle rezenten Vögel besitzen einen Schnabel ohne echte Zähne. Einige ausgestorbene Arten waren dagegen bezahnt. Der Schnabel besteht bei Vögeln aus Knochensubstanz mit einer Hornscheide; nur bei Tauben- (Columbiformes) und Gänsevögeln (Anseriformes) ist die Knochenmasse des Schnabels von einer weichen Haut überzogen.

Alle bekannten Vogelarten haben eine relativ hohe, konstante Körpertemperatur (Endothermie), die höher ist als bei allen anderen heute lebenden Tieren und ca. 42 °C beträgt. Einige Vogelarten, z. B. Kolibris und Kohlmeisen, senken bei der Nachtruhe ihre Körpertemperatur um ca. 10 °C.

Die meisten Vögel sind flugfähig. Alle flugunfähigen Arten haben sich aus Arten entwickelt, die ursprünglich fliegen konnten. Dies betrifft zum Beispiel Laufvögel, Pinguine und viele Inselformen, wie die Kiwis (Neuseeland) und den Stummelkormoran (Galapagosinseln).

Das Vogelskelett ist leicht gebaut. Es besitzt zur Gewichtsreduzierung hohle (pneumatisierte) Knochen. Der Anteil der Knochenmasse macht nur 8 bis 9 Prozent der Gesamtkörpermasse aus, während er bei einigen Säugern bis zu 30 Prozent betragen kann. Das sehr große Brustbein hat einen vorspringenden Kiel (Carina), der als Ansatz für die sehr großen Flugmuskeln dient.

Die Herzschlagfrequenz ist hoch: Die maximale Herzschlagfrequenz eines Straußes beträgt 178 Schläge pro Minute, diejenige eines Haussperlings 900 und schließlich diejenige eines Blaukehl-Sternkolibris 1.260 Schläge pro Minute.

Das Zentralnervensystem (ZNS) ist hoch entwickelt, unter den Sinnesorganen ist besonders die Leistungsfähigkeit des Auges bemerkenswert. Einige Vögel sind wahrscheinlich Pentachromaten, haben also fünf Typen von Farbsinneszellen (Zapfen). Das für die Verarbeitung optischer Reize zuständige Hirnareal ist stark vergrößert.

Die Stimmbildung erfolgt bei Vögeln nicht im Kehlkopf (Larynx), da Stimmbänder fehlen. Dafür liegt an der Gabelung der Trachea ein gesondertes Organ, der Stimmkopf (Syrinx), auch als unterer Kehlkopf bezeichnet.

Die Vogellunge mit ihren Luftsäcken ist komplizierter gebaut als die aller anderen Wirbeltiere.

Vögel haben eine Kloake, das heißt, Eier, Urin und Kot gelangen durch eine einheitliche Ausführungsöffnung ins Freie.

Die Elektrolytausscheidung (Meersalze) erfolgt bei vielen Vögeln wie bei Reptilien auch über die Nasendrüse.

Vögel scheiden ebenso wie Fledermäuse und Reptilien über ihren Urin Stickstoffverbindungen als Guanin sowie Harnsäure aus. Guanin ist zwar energiereicher als Harnstoff, benötigt aber kaum Wasser zur Ausscheidung, sodass die Tiere nicht so viel Trinkwasser wie Säugetiere benötigen und das Wasser im Körper nicht mitgeführt werden muss. Diese Ersparnis an zu bewegender Masse unterstützt die Flugfähigkeit. Ablagerungen aus Vogelkot können abbauwürdige Mächtigkeiten erreichen. Sogenannter Inselguano, der aus Seevogelausscheidungen besteht, wird ebenso wie Höhlenguano (meist aus Fledermauskot bestehend) abgebaut und als phosphatreiches natürliches Düngemittel eingesetzt.

Wie bei Reptilien fehlt eine Harnblase.

Die meisten Vogelarten besitzen zur Gefiederpflege eine besondere, Fett absondernde Drüse, die Bürzeldrüse. Bei einigen Arten wird deren Funktion durch sogenannte Puderdunen unterstützt bzw. komplett ersetzt (Kakadus, Taubenvögel, Reiher). Einigen Arten fehlen sowohl Bürzeldrüse als auch Puderdunen (z. B. Schlangenhalsvögel).

Von den oben genannten Merkmalen kommt keines exklusiv bei den Vögeln vor. So existieren (oder existierten) fliegende Formen bei den Säugetieren (Fledermäuse) und Reptilien (Flugsaurier), über Federn verfügten auch die gefiederten Nichtvogeldinosaurier, amniotische Eier werden ebenso von Reptilien und Kloakentieren gelegt und auch ein Schnabel ist nicht auf die Vögel beschränkt.

Bei den Vögeln sind Oberkiefer (Maxilla) und Unterkiefer (Mandibula) beweglich, während sich bei den anderen Wirbeltieren nur der Unterkiefer bewegt.

  • Die Vögel werden so wie die Amphibien, Reptilien und Säugetiere traditionell als eine Klasse von Landwirbeltieren (Tetrapoda) betrachtet. Dies ist allerdings kladistisch betrachtet falsch, da die Vögel als einzige überlebende Gruppe der Dinosaurier eine Teilgruppe der Reptilien sind. Um eine einheitliche Terminologie zu bewahren, wird das monophyletische Taxon, welches aus Reptilien und Vögeln besteht, als Sauropsida bezeichnet. Dementsprechend heißen die drei Klassen der Landwirbeltiere:

    Amphibien (Amphibia)
  • Sauropsiden (Sauropsida)
  • Säugetiere (Mammalia
  • Die Klasse der Vögel ist die artenreichste der Landwirbeltiere. Sie umfasst etwa 10.699 rezente und etwa 158 in historischer Zeit ausgestorbene Vogelarten.[1] Von ihren zwei Unterklassen (Urkiefer- und Neukiefervögel) ist erstere klein und bis auf 5 Familien ausgestorben. Hierhin gehören insbesondere die Laufvögel, die wegen des fehlenden Brustbeinkamms flugunfähig sind. Von den weiteren etwa 30 Ordnungen der Neukiefervögel umfasst jene der Sperlingsvögel fast 60 Prozent aller Arten. In dieser Gruppe ist wiederum die Unterordnung der Singvögel (Passeri) die umfangreichste.

    Unter Pygostylia findet sich eine abweichende Systematik der Vögel, die auch ausgestorbene Gruppen berücksichtigt.

  • Die Evolution der Vögel beginnt im Jura. Die Vorfahren der Vögel waren nach Ansicht der Mehrzahl der Forscher kleine Raubdinosaurier (Theropoden) aus der Gruppe der Maniraptora, die allerdings nach dem Fossilbericht lange als reine Bodenläufer galten. Die Vertreter einer Nicht-Dinosaurier-Abstammung der Vögel hatten lange darauf hingewiesen, dass fliegende oder gleitfliegende Tiere immer von baumlebenden Vorfahren abstammen, die sich zu Baumspringern entwickelt haben – die Vögel müssten entsprechend von baumlebenden Reptilien abstammen. Erst im Jahr 2000 wurde Microraptor entdeckt, eine wahrscheinlich baumlebende Gattung gefiederter Theropoden. Diese Entdeckung stützt die These der Zugehörigkeit der Vögel zu den Maniraptoren (und damit zu den Dinosauriern). Die Debatte, ob sich die Vögel aus Bodenläufern oder aus Baumspringern entwickelt haben, ist jedoch noch nicht entschieden.

  • Das bekannteste evolutionäre Bindeglied zwischen Reptilien und den Vögeln ist die Gattung Archaeopteryx (wörtlich: „Urflügel“). Die Flügel von Archaeopteryx haben große Ähnlichkeit mit den Flügeln moderner Vögel. Fossilien dieser Gattung wurden in den Solnhofener Plattenkalken aus der Zeit des Oberjura gefunden. Von Archaeopteryx nahm man lange eine vermittelnde Position zwischen den beiden Klassen an, denn er schien mosaikartig sowohl Merkmale von Reptilien als auch solche von Vögeln zu zeigen. Aus diesem Grund sind unvollständig und schlecht erhaltene Exemplare – wie etwa beim „Haarlemer Exemplar“ im Teylers Museum – lange Zeit nicht als Fossilien dieses Tieres erkannt worden. Mit der Entdeckung von immer mehr gefiederten Dinosauriern seit den 1990er Jahren hat sich aber gezeigt, dass sehr viele, früher für typische Vogelmerkmale gehaltene Eigenschaften des Archaeopteryx bei vielen anderen Theropodenspezies ebenfalls vorkamen. Vögel erscheinen daher mehr und mehr als ans Fliegen angepasste, ansonsten aber typische Dinosaurier. Ungeklärt ist nicht zuletzt deshalb, ob Archaeopteryx ein echter „Urvogel“ war, also ein direkter Vorfahre der modernen Vögel. Viele Forscher meinen, dass er einer blind endenden Entwicklungslinie angehörte.

    Der oberjurassische Archaeopteryx besaß noch Kiefer mit Zähnen, eine lange Schwanzwirbelsäule und bewegliche bekrallte Mittelhandknochen. Wahrscheinlich besaß er, wie es auch für seine Nicht-Vogel-Dinosaurierverwandten vermutet wird, eine konstante, aktiv geregelte Körpertemperatur (Homoiothermie). Auch die in Sedimentgesteinen der oberen Kreide gefundenen fossilen Wasservögel (Ichthyornis und Verwandte) waren bezahnt. Die heutigen Vogelgruppen mit ihren unbezahnten Kiefern haben sich erst im Känozoikum herausgebildet. Der Verlust des harten Zahnschmelzes muss genetischen Analysen zufolge aber bereits vor mehr als 100 Millionen Jahren in der unteren Kreide in der Entwicklungslinie, die zu den modernen Vögeln (Neornithes, Vogel-Kronengruppe) führt, stattgefunden haben und zwar nach der Abspaltung der Linie, die zu Ichthyornis führt. Beim jüngsten gemeinsamen Vorfahren der beiden Hauptlinien der modernen Vögel (Urkiefervögel und Neukiefervögel) sollen schließlich alle für die Zahnentwicklung zuständigen Gene abgeschaltet gewesen sein. Während der älteste unzweifelhafte Fossilnachweis der Kronengruppen-Vögel aus der späten Oberkreide (Maastrichtium) stammt, sind bereits aus der späten Unterkreide Vögel bekannt, deren Anatomie an die der modernen Vögel stark heranreicht. Ein Beispiel für solch einen Vertreter ist Gansus yumenensis aus der Xiagou-Formation (115–105 mya) der chinesischen Gansu-Provinz. Generell besaßen die Vögel bereits in der Kreidezeit eine große Artenvielfalt. Eine mit Gansus relativ eng verwandte Gruppe kreidezeitlicher, anatomisch jedoch weniger fortschrittlicher Vögel sind die Enantiornithes, deren fossile Überreste unter anderem im Nordosten Chinas gefunden wurden.