REPTILIEN

Die Reptilien oder Kriechtiere (lat. reptilis „kriechend“) sind nach traditioneller Auffassung eine Klasse der Wirbeltiere am Übergang von den „niederen“ (Anamnia) zu den „höheren“ Wirbeltieren (Säugetiere und Vögel). Als solche sind sie nach moderner Auffassung keine natürliche Gruppe, sondern ein paraphyletisches Taxon, weil sie nicht alle Nachkommen ihres letzten gemeinsamen Vorfahren enthalten. Das klassische Taxon „Reptilia“ wird daher in der zoologischen und paläontologischen Systematik kaum noch verwendet. Der Taxonname dient nur mehr als informeller Sammelbegriff für Landwirbeltiere mit ähnlicher Morphologie und Physiologie (siehe Merkmale). In diesem Sinne werden aktuell 11.136 rezente Reptilienarten unterschieden.

Als monophyletisches Taxon, also als natürliche (vollständige) Abstammungsgruppe, müssten die Reptilien mindestens auch die Vögel enthalten, unter Berücksichtigung bestimmter ausgestorbener Formen sogar auch die Säugetiere. Um diese Verhältnisse abzubilden, wird das bereits 1866 eingeführte und heute als Klade definierte Taxon Amniota genutzt, das alle rezenten Reptilien einschließlich der Säuger und Vögel sowie alle mittlerweile ausgestorbenen Nachfahren ihres letzten gemeinsamen Vorfahren einschließt. Die 1864 eingeführten und heute ebenfalls als Klade definierten[3] Sauropsida umfassen alle rezenten Reptilien einschließlich der Vögel sowie alle ausgestorbenen Formen, die näher mit den heutigen Reptilien und Vögeln verwandt sind als mit den Säugetieren (diese Klade wird mitunter ebenfalls Reptilia genannt). Tatsächlich sind alle rezenten Reptilien näher mit den Vögeln verwandt als mit den Säugetieren, d. h. alle „Reptilien“ der Entwicklungslinie, die zu den Säugetieren führt, sind heute ausgestorben.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Reptilien fällt in das Gebiet der Herpetologie. Das Wissen um ihre Pflege und Zucht in Terrarien bezeichnet man als Terraristik oder Terrarienkunde, die ein Teil der Vivaristik ist.

Das kennzeichnendste Merkmal der rezenten Reptilien ist ihre trockene, schleimlose, aus Hornschuppen bestehende Körperbedeckung. Von Vögeln und Säugetieren unterscheiden sie sich durch das Fehlen von Federn bzw. Haaren. Bei Schuppenkriechtieren überlappen sich die Hornschuppen in der Regel dachziegelartig, bei Schildkröten und Krokodilen tun sie dies nicht. Eine „echte“ Häutung (Ecdysis), das periodische Abstreifen größerer zusammenhängender Partien der Oberhaut, tritt prinzipiell nur bei Schuppenkriechtieren und besonders ausgeprägt bei Schlangen auf.

Die meisten heute lebenden Reptilien besitzen einen typischen echsenartigen Habitus, das heißt, sie haben einen langen Schwanz, laufen auf vier Beinen (Quadrupedie), und bewegen sich im Spreizgang. Dies ist der ursprüngliche Habitus der Landwirbeltiere, der bereits bei den Vorfahren der Reptilien vorhanden war. Alle Schlangen und einige Echsen weichen von diesem urtümlichen Bauplan ab, indem ihre Beine und Extremitätengürtel zurückgebildet sind und Hals, Rumpf und Schwanz ansatzlos ineinander übergehen. Auch bei vielen ausgestorbenen Formen ist der ursprüngliche Reptilienhabitus abgewandelt worden. Die Dinosaurier gingen zu einer zweibeinigen Fortbewegung über, die Flugsaurier entwickelten sogar Flügel und mehrere Gruppen passten sich einem Leben im Meer an und bildeten ihre Gliedmaßen in Flossen um – die dahingehend stärkste Anpassung erfolgte bei den Ichthyosauriern, die einen fischartigen Habitus entwickelten, ähnlich wie die heutigen Delfine. Ebenfalls relativ stark abgeleitete Reptilien sind die Schildkröten, bei denen der Rippenkorb und die Rumpfbeschuppung insbesondere bei den Landschildkröten eine Art Gehäuse bilden, in das sie sich zurückziehen können. Der echsenartige Habitus der Krokodile ist jedoch nicht von deren Vorfahren ererbt, sondern sekundär erworben. Dies zeigt sich u. a. daran, dass Krokodile, wenn sie schnell laufen, ihren Rumpf, anders als Echsen, nicht in der horizontalen Ebene winden und ihre Beine unter den Körper stellen.

Im Gegensatz zu den Amphibien sind alle Reptilien, wie auch Vögel und Säugetiere, zeit ihres Lebens Lungenatmer, das heißt, sie besitzen kein aquatisches, durch Kiemen atmendes Larvenstadium.

Die meisten rezenten Formen legen Eier (Oviparie), nur einige wenige gebären lebende Junge (Viviparie) oder sind eierlebendgebärend (Ovoviviparie). Die Eier sind bei den meisten Schuppenkriechtieren mit einer pergament­artigen, flexiblen Schale umhüllt. Die Eier vieler Schildkröten und aller Krokodile besitzen hingegen eine relativ feste Kalk­schale. Der Grad der Verkalkung gilt als Grad der Anpassung an schwankende Bedingungen hinsichtlich der Feuchtigkeit des Milieus, in dem die Eiablage erfolgt: Die Eier mit der am stärksten verkalkten Schale sind am besten sowohl gegen das Eindringen von Wasser als auch gegen Austrocknung geschützt.

Die rezenten Reptilien sind ektotherme und wechselwarme (poikilotherme) Tiere, die ihre Körpertemperatur so weit wie möglich durch Verhalten regulieren (z. B. Sonnenbaden). Des Weiteren weist der Blutkreislauf aller rezenten Reptilien keine vollständige Trennung von Lungen- und Körperkreislauf auf. Bei den meisten Formen ist dies durch eine nicht durchgehende Herzscheidewand verwirklicht. Krokodile hingegen haben eine geschlossene Herzscheidewand und der Blutaustausch erfolgt im Aortenstamm über eine Öffnung in der Trennwand zwischen linker und rechter Aorta (Foramen Panizzae).