AMPHIBIEN - LURCHE
Unter den Bezeichnungen Amphibien (Amphibia) oder Lurche werden alle Landwirbeltiere zusammengefasst, die sich, im Gegensatz zu den Amnioten („Nabeltieren“), nur in Gewässern fortpflanzen können. In der Zoologie gelten diese Bezeichnungen in erster Linie für heute lebende (rezente) Arten. Weil der Begriff „Amphibia“ in der Wirbeltierpaläontologie weniger exklusiv ist und traditionell immer auch ausgestorbene, frühe Formen der Landwirbeltiere („Ur-Lurche“) mit einschließt, werden die drei rezenten Großgruppen der Lurche (Froschlurche, Schwanzlurche und Schleichenlurche) zur besseren Unterscheidung mit dem Namen Lissamphibia belegt. Wenn im Folgenden von „Amphibien“ die Rede ist, bezieht sich das in der Regel auf die Lissamphibia.
Bei Amphibien verläuft die Individualentwicklung im Allgemeinen über ein im Wasser abgelegtes Ei, aus dem eine im Wasser lebende (aquatile), kiemenatmende Larve schlüpft. Diese Larve durchläuft eine Metamorphose, an deren Ende meist ein lungenatmendes erwachsenes Individuum steht, das zu einem Leben außerhalb von Gewässern befähigt ist. Der wissenschaftliche Name „Amphibia“ (vom altgriechischen Adjektiv ἀμφίβιος amphíbios ‚doppellebig‘; gebildet aus ἀμφί amphí, deutsch ‚auf beiden Seiten‘ sowie βίος bíos, deutsch ‚Leben‘) bezieht sich auf die beiden Lebensphasen vor und nach Abschluss der Metamorphose. Aufgrund ihrer Physiologie sind alle Amphibienarten aber auch im Erwachsenenstadium zumindest an Lebensräume mit hoher Luftfeuchtigkeit gebunden. Viele Lurche sind nachtaktiv, um sich vor Fressfeinden zu schützen und Wasserverluste über die Haut gering zu halten.
Die rezenten Amphibien mit ihren drei großen Untergruppen Froschlurche (Anura, Salientia), Schwanzlurche (Urodela, Caudata) und Schleichenlurche (Gymnophiona, Caecilia) werden zusammen mit ihren unmittelbaren fossilen Verwandten auch als moderne Amphibien (Lissamphibia) bezeichnet. Sie sind, wie auch die modernen Reptilien, die Vögel und die Säugetiere, evolutionäre Nachfahren einer bestimmten Gruppe von Knochenfischen, die im Oberdevon ab etwa 380 Millionen Jahren damit begann, ihren Lebensraum auf die Landflächen in der unmittelbaren Umgebung von Binnengewässern auszudehnen (siehe Landgang). Daher werden die Amphibien zusammen mit Reptilien, Vögeln und Säugern in die Gruppe der Landwirbeltiere (Tetrapoda) eingeordnet.
Innerhalb der Landwirbeltiere gelten die Amphibien als die ursprünglichste („primitivste“) Gruppe, unter anderem weil sie bei der Fortpflanzung auf Gewässer angewiesen sind, weil einige Teile ihres Skelettes nicht verknöchern und aufgrund der relativ geringen Leistungsfähigkeit ihrer Lungen und ihres Herz-Kreislaufsystems. Darin unterscheiden sie sich von den „höheren“ Landwirbeltieren, den Sauropsiden (einschließlich Vögeln) und Säugetieren, die zusammen als Amnioten bezeichnet werden.
In ihrer Ursprünglichkeit ähneln die modernen Amphibien tatsächlich in einem gewissen Maß den längst ausgestorbenen frühen Landwirbeltieren, die ebenfalls oft als „Amphibien“ bezeichnet werden (vgl. Labyrinthodontia). Jedoch ist die Vorstellung, die modernen Amphibien seien direkte Nachfahren der ersten Landwirbeltiere, überholt. Stattdessen handelt es sich um Formen, die den Fortpflanzungsmodus und die Lebensweise der ersten Landwirbeltiere zwar beibehalten haben und daher nach wie vor Gemeinsamkeiten mit diesen aufweisen, die aber, vor allem mit den Froschlurchen und den Schleichenlurchen, stark abgeleitete Vertreter hervorbrachten, die sich in vielen Aspekten von den frühen Landwirbeltieren unterscheiden.
Der Ursprung der modernen Amphibien ist eines der umstrittensten Themen in der Wirbeltierpaläontologie. In der Fossilüberlieferung tauchen sie erst in der frühen Trias auf, mehr als 100 Millionen Jahre nach den ersten Landwirbeltieren und mehr als 50 Millionen Jahre nach den ersten Amnioten. Die Herkunft der modernen Amphibien konnte auf zwei Großgruppen früher Landwirbeltiere eingegrenzt werden, die Temnospondylen („Schnittwirbler“) und die Lepospondylen („Hülsenwirbler“). Ungeklärt ist aber, aus welcher der beiden Gruppen die modernen Amphibien hervorgegangen sind und ob ihre Vorfahren tatsächlich in nur einer der beiden Gruppen zu suchen sind.
Amphibien haben ein breites Größenspektrum. Sie stellen mit kaum acht Millimeter Körperlänge bei einem ausgewachsenen Individuum der neuguineischen Froschgattung Paedophryne das kleinste bekannte Wirbeltier. Riesensalamander, die größten rezenten Amphibien, erreichen zwar bis zu eineinhalb Meter Länge, die meisten Arten kommen jedoch nicht über 20 Zentimeter hinaus. Die drei Großgruppen der Amphibien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Habitus relativ stark voneinander. Dies ist nicht zuletzt mit unterschiedlichen Fortbewegungsweisen verbunden: Während Schwanzlurche sich an Land schreitend oder kriechend fortbewegen, sind Froschlurche auf eine springende Fortbewegung spezialisiert. Zudem klettern sowohl einige Schwanz- als auch einige Froschlurcharten auf Bäume. Einige wenige Froscharten können sogar kurze Strecken im Gleitflug zurücklegen. Viele Schleichenlurche bewegen sich hingegen im Boden grabend. Im Wasser schwimmen und tauchen Schwanzlurche schlängelnd unter Einsatz ihres Ruderschwanzes und Frösche mit Hilfe ihrer langen, kräftigen Hinterbeine.
Frosch- und Schwanzlurche haben einen flachen und relativ offenen, Schleichenlurche einen verhältnismäßig hohen, kompakten und keilförmigen Schädel. Als eines der bedeutendsten gemeinsamen Merkmale der modernen Amphibien, das sie zugleich auch von den frühen Amphibien, den „Ur-Lurchen“, unterscheidet, gilt der spezielle Bau ihrer Zähne: Eine meist mit Zahnschmelz überzogene Krone sitzt einer im Kieferknochen verankerten Basis aus Dentin, dem sogenannten Pedikel auf, wobei sich zwischen Krone und Pedikel eine schwach mineralisierte Zone befindet. Dieser Zahnbau wird als pedicellat bezeichnet. Der Zahnwechsel erfolgt, wie bei den ursprünglicheren Landwirbeltieren (einschließlich der modernen Reptilien) allgemein üblich, mehrfach im Verlauf des Lebens (Polyphyodontie). Verglichen mit dem Grundbauplan der Landwirbeltiere sind im Schädel der modernen Amphibien zahlreiche Knochen verloren gegangen, auch solche, die bei modernen Reptilien in der Regel noch vorhanden sind. Dies betrifft sowohl Elemente des Schädeldaches (Jugale, Postorbitale), des Gaumendaches (Ectopterygoid) und des Hirnschädels (Supraoccipitale, Basioccipitale, Basisphenoid) sowie das Epipterygoid.
Bei Schwanzlurchen sind die beiden Gliedmaßenpaare eher gleich lang, bei Froschlurchen deutlich unterschiedlich lang ausgebildet. An jeder Hand befinden sich in der Regel je vier Finger, an den Füßen je fünf Zehen. Bei den Schleichenlurchen sind die Gliedmaßen vollständig zurückgebildet. Auch innerhalb der Schwanzlurche findet sich bei den Armmolchen und Aalmolchen eine partielle bzw. vollständige Reduktion der Gliedmaßen. Das knöcherne Rumpfskelett ist im Vergleich zu den Amnioten teilweise reduziert. So sind die Rippen allgemein kurz, bilden keinen richtigen Rippenkorb und ein Brustbein ist nicht vorhanden. Die Froschlurche, deren Habitus generell stark abgeleitet ist, haben oft überhaupt keine Rippen. Zudem weisen Froschlurche nur fünf bis neun Hals- und Rückenwirbel auf, während es bei den Schwanzlurchen mit ihrem eher konservativen Habitus zwischen 10 und 60 sind. Die Gelenkung zwischen Halswirbelsäule und Schädel erfolgt über eine paarige Hinterhauptskondyle – der ursprüngliche Zustand bei Landwirbeltieren ist ein einzelner medianer Condylus. Das Becken ist – falls nicht zurückgebildet – an den Querfortsätzen eines einzelnen Beckenwirbels angeheftet.
Die Haut (siehe auch Amphibienhaut) ist dünn, nackt und kaum verhornt, feucht und glatt oder auch trocken-„warzig“, die Unterhaut ist reich an Schleim- und Giftdrüsen- sowie Pigmentzellen. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Atmung, beim Schutz vor Infektionen und Feinden sowie beim Wasserhaushalt. Amphibien trinken nicht, sondern nehmen durch die Haut Wasser auf und speichern dieses in Lymphsäcken unter der Haut und in der Harnblase. Durch die Harnblasenwand kann es später wieder dem Organismus zugeführt werden.
Als Larven besitzen Amphibien Kiemen, als erwachsene Tiere einfache Lungen (vergleiche Schluckatmung), die ebenso wie die Hautatmung (einschließlich der Sonderform Mundhöhlenatmung) dem Gasaustausch dienen.
Amphibien sind wechselwarm; das bedeutet, dass sie keine konstante Körpertemperatur aufweisen, sondern diese von der Umgebungstemperatur abhängt. Ihr Herz besteht aus zwei separaten Vorkammern und einer einheitlichen Hauptkammer ohne Scheidewand, das heißt Lungen- und Körperblutkreislauf sind nur teilweise getrennt.
Der Darmausgang, die Exkretions- und inneren Geschlechtsorgane münden alle in einer einzigen bauchseitigen Körperöffnung, der Kloake.
Für viele Arten sind die Augen wichtige Sinnesorgane und entsprechend gut entwickelt. Allerdings werden reglose Objekte nur unzureichend wahrgenommen, wohingegen Bewegungen starke Reize bilden – sowohl bei der Nahrungssuche und Feinderkennung als auch bei der Sexualpartnerfindung.
Das Mittelohr der Frosch- und Schwanzlurche besitzt zwei potenziell schallleitende Knochenelemente: den Stapes (Columella) und das Operculum. Das Operculum ist in das Foramen ovale des Innenohrs eingepasst und der Stapes, ein einfaches Knochenstäbchen, berührt mit seinem „hinteren“ Ende (Fußplatte) das Operculum und kann mit diesem verschmolzen sein. Tatsächlich für die Schallleitung zuständig ist der Stapes jedoch nur bei den Froschlurchen, denn nur diese besitzen ein Trommelfell. Es steht, wie auch bei Reptilien und Vögeln, mit dem „vorderen“ Ende des Stapes in Kontakt. Jedoch ist das Trommelfell der Froschlurche dem der Amnioten wahrscheinlich nicht homolog. Bei Schwanzlurchen erfolgt die Schallwahrnehmung vor allem über die Vordergliedmaßen: Das Operculum ist über einen permanent angespannten (tonischen) Muskel (Musculus opercularis) mit dem Schultergürtel verbunden, wodurch Bodenvibrationen (Substratschall) zum Innenohr geleitet werden können. Dieser sogenannte Opercularapparat ist auch bei Froschlurchen vorhanden, dient dort aber möglicherweise nicht oder nur untergeordnet der Schallwahrnehmung. Bei Schleichenlurchen fehlt das Operculum, wahrscheinlich weil sie keinen Schultergürtel haben. Bei ihnen fungieren vermutlich die Körperhöhle und der Schädel als Schallleiter.
Der Geruchssinn ist vor allem bei Schwanzlurchen recht hoch entwickelt.
Ähnlich wie Fische besitzen auch die Larven sowie die im Wasser lebenden Arten der Amphibien ein Seitenliniensystem. Bei Larven von Schleichenlurchen und Salamandern sind Elektrorezeptoren ähnlich den Lorenzinischen Ampullen der Haie nachgewiesen.