Pflanzengalle
Eine Pflanzengalle oder Cecidie, auch Gallapfel genannt, ist als kugelförmige Geschwulst an Pflanzen (von lateinisch galla, „Geschwulst an Pflanzen und Tieren“, insbesondere die durch den Stich der Gallwespen an Eichenblättern verursachte Eichengalle bezeichnend) eine Anomalie im Pflanzenwachstum, die durch fremde Organismen verursacht wird. Die Wissenschaft der Pflanzengallen (Cecidien) wird auch als Cecidologie bezeichnet.
Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Pflanzengalle gibt es noch nicht. Diverse Versuche wurden bereits gemacht, um die Gallbildung an Pflanzen umfassend zu umschreiben. Die auch in aktueller Literatur häufig verwendete Definition von Ernst Küster aus dem Jahre 1953 definierte Pflanzengallen als „Produkte abnormen Wachstums“, die durch die „Einwirkung tierischer oder pflanzlicher Parasiten entstehen und den Nährboden für diese abgeben“.
Heutzutage gibt es aber auch viele andere Definitionen, die das Phänomen der Gallbildung beschreiben. Aufgrund der großen Vielfalt an Gallerregern fällt eine eindeutige Definition allerdings schwer, da einige Galltypen, wie beispielsweise Verkümmerungen bei der Ausbildung einzelner Organe, in den meisten Definitionen nicht erwähnt werden.
Während der wirtschaftliche Nutzen von einigen Gallen dem Menschen schon länger bekannt war, manche Galläpfel an Eichen dienten zum Beispiel zu Herstellung von Eisengallustinte und als Gerbstofflieferant in der Gerberei, begann die wissenschaftliche Erforschung dieses Fachgebiets der Biologie erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Phänomens der Gallbildung an Pflanzen ist Hippokrates von Kos zuzurechnen, dieser hielt die beobachteten Wucherungen allerdings nur für spezielle Früchte der Pflanzen und erkannte keinen Zusammenhang zwischen Parasiten und Gallbildung.
Erst Marcello Malpighi leitete mit seinem Buch Anatome Plantarum idea den Durchbruch der Cecidologie ein. Dort beschrieb er im Kapitel De Gallis 60 verschiedene Gallformen ausführlich und versuchte sich an einer ersten Systematisierung und Definition des Phänomens der Gallbildung.
Einfacher als die Definition einer Pflanzengalle ist die Beschreibung der Lebewesen, die die Gallbildung hervorrufen. Prinzipiell gilt, dass die Gallerzeuger beinahe aus dem ganzen Spektrum der Lebewesen kommen. Hervorgerufen werden sie aber insbesondere von Viren, Bakterien, Pilzen, Milben und Insekten. Den Großteil der gallerzeugenden Arten machen die Insekten aus. Insgesamt sind aus dem gesamten Spektrum der Lebewesen knapp 15.000 Arten bekannt, die zur Gallbildung an Pflanzen fähig sind.
Gallerreger und befallene Pflanzen leben nicht immer in einem parasitären Verhältnis, das der Pflanze Schaden zufügt. Abgesehen von einigen Arten wie der Reblaus, die Wirtspflanzen massiv schädigt, greifen die meisten Gallerzeuger in den Stoffwechsel ihres Wirts kaum messbar ein. Zwischen einigen Pflanzen und den auf bzw. in ihnen befindlichen Gallerzeugern gibt es sogar symbiotische Verhältnisse. Hierher gehören die Wurzelknöllchen der Schmetterlingsblütengewächse.
Baumkrebs
Zu den bekanntesten gallerzeugenden Lebewesen zählen die Gallwespen, die durch ihre häufig großen und von Farbe und Form her auffälligen Gebilde, die zumeist an Eichenblättern beobachtet werden können, auf sich aufmerksam machen. Die zweifellos größten Pflanzengallen werden von Pilzen ausgelöst, wie der Obstbaumkrebs. Manche Erreger fallen aber auch durch ihre außergewöhnlichen Lebensweisen auf, wie die Blattlausart Pemphigus spirothecae, in deren Generationszyklus Soldatenläuse vorkommen, die als Kaste auf eine eigene Fortpflanzung verzichten und stattdessen die Gallenpopulation gegen eindringende Feinde verteidigen. Damit ist eine der Bedingungen für Eusozialität erfüllt.
Viele der höher entwickelten Gallerzeuger weisen einen Generationenkreislauf auf, der sich im Verlauf eines oder mehrerer Jahre wiederholt und in dessen Verlauf asexuelle als auch sexuelle Vermehrung stattfindet. Oftmals geht ein Generationenwechsel mit dem Wechsel des Wirts oder des Lebensraums am Wirt einher.
Die genaue Entstehung einer Pflanzengalle ist von Art zu Art sehr unterschiedlich. Während besonders bei niedrigeren Lebensformen allein die Präsenz und Vermehrung des Parasiten in den Pflanzenorganen zu den von außen sichtbaren Deformationen führt, haben höher entwickelte Lebewesen Methoden entwickelt, mit denen sie gezielt in das Wachstum der Pflanzenteile eingreifen. Das Spektrum an Veränderungen an der Pflanze reicht hierbei von dem gezielten Hervorrufen von Misswuchs bis hin zur Bildung von vollkommen neuen Organen, die sich aus den bereits bestehenden Organen der Pflanze heraus entwickeln.
Vor allem im Bereich der Insekten und Spinnentiere erzeugen die Tiere häufig durch ein von ihnen ausgelöstes Wachstum um sie herum abgeschlossene und nicht abgeschlossene Hohlräume, in denen sie Schutz vor Witterungsbedingungen und Fressfeinden haben.
Hervorgerufen und gesteuert wird die Gallentwicklung durch Insekten mittels Injektion sogenannter Cytokinine in das zu verändernde Pflanzengewebe, wodurch die für die Galle charakteristischen Formen hervorgerufen werden. Vor allem die höher entwickelten Gallerzeuger nutzen Cytokinine zur Bildung der Gallen. Diese Cytokinine können wachstumshemmende, wachstumssteigernde und allgemein regenerierende Vorgänge im Gallgewebe auslösen.
Gallentwicklungen laufen selten vollkommen gleich ab. Tatsächlich ist der Formenschatz, der von einer einzigen Art erzeugt werden kann, teilweise so groß, dass man die Gallen häufig verschiedenen Erzeugern zugeordnet hat.
Grundsätzlich lassen sich Gallgebilde in Histoide und Organoide Gallen einordnen. Viele Gallen lassen sich aber auch nicht eindeutig zuordnen und weisen verschiedene Eigenschaften sowohl aus Bereichen der Histoiden als auch der Organoiden Gallen auf.