Mutterkorn - Korn
Das Mutterkorn (lateinisch Secale cornutum) ist eine längliche, kornähnliche und bis zu vier (bis sechs) Zentimeter lange Dauerform (Sklerotium) des Mutterkornpilzes (Claviceps purpurea), einer Schlauchpilz-Art, die aus den Ähren von Getreide herauswachsen kann. Für Mensch und Tier stellt der Befall der Blüten von Nahrungs- und Futtergetreide mit Mutterkorn ein Problem dar, denn die in diesem Pilz enthaltenen über 80 Alkaloide und Farbstoffe weisen eine hohe Giftigkeit auf. In geringer Dosierung kann Mutterkorn auch als Heilmittel wirken. Besonders häufig betroffenes Nahrungsgetreide ist Roggen, aber auch die als Viehfutter genutzten Getreide Triticale, Weizen, Gerste, Hafer und Dinkel. Über 400 Gräser insgesamt sind befallgefährdet; auch das an der Nordseeküste vorkommende Salz-Schlickgras (Spartina anglica).
Da die Menschen im Mittelalter die Giftigkeit des Mutterkorns noch nicht kannten, wurden die Körner mit Mutterkornbefall vor der Weiterverarbeitung nicht entfernt. Die giftigen Inhaltsstoffe gelangten daher durch die Vermahlung in das Roggenmehl und waren somit Ursache der als Antoniusfeuer bezeichneten Krankheit.Der Mutterkornpilz produziert giftige Alkaloide, die Mutterkornalkaloide. Sie sind durch eine Ergolin-Struktur gekennzeichnet. Zu den Mutterkornalkaloiden gehören beispielsweise Ergotamin, Ergometrin und α-Ergokryptin. Der Alkaloidgehalt beträgt 2 Gramm pro Kilogramm Mutterkorn. Zudem konnten aus Mutterkorn rote Anthrachinonfarbstoffe, wie Endocrocin oder Clavorubin isoliert werden, wobei 5 Gramm Anthrachinonfarbstoffe in einem Kilogramm Mutterkorn vorhanden sind. Aus diesen werden schließlich biosynthetisch gelbe Xanthonstoffderivate (Ergochrome) gebildet. Der Zusammenhang zwischen der Farbstoff- und Alkaloidsynthese wurde durch den Chemiker Burchard Franck erforscht.Zu den toxischen Effekten von Mutterkornalkaloiden zählen Darmkrämpfe, Halluzinationen sowie das Absterben von Fingern und Zehen aufgrund von Durchblutungsstörungen, die das Krankheitsbild Ergotismus (auch Antoniusfeuer oder Mutterkornbrand) prägen. 5 bis 10 Gramm frisches Mutterkorn können bei einem Erwachsenen zu Atemlähmungen und Kreislaufversagen führen und tödlich sein. Die Inhaltsstoffe (insbesondere Ergometrin) regen die Wehen an. Aus diesem Grund wurde der Pilz auch für Schwangerschaftsabbrüche verwendet, für die er aber wegen seiner geringen therapeutischen Breite nicht geeignet ist. Alkaloide des Mutterkorn können auch medizinisch eingesetzt werden, beispielsweise zum Blutstillen nach der Geburt, gegen orthostatische Hypotonie (niedriger Blutdruck und Schwindel nach dem Aufstehen), Migräne und Morbus Parkinson. Aus dem Pilz kann Lysergsäure gewonnen werden, aus der das Psychedelikum LSD hergestellt werden kann. Nach Hofmann und Wasson (The Road to Eleusis, 1978) war allerdings schon um 2000 v. Chr. bekannt, dass nur die natürlich vorhandenen psychoaktiven Lysergsäurealkaloide wasserlöslich waren, und damit wurden berauschende Getränke gebraut, die die unerwünschten Effekte der anderen Alkaloide umgehen.