Senf - Tintenfleck - Leguminosen Weißling
Der Senfweißling, auch Tintenfleck-Weißling oder Leguminosen-Weißling, ist ein Artkomplex dreier nah verwandter Tagfalter-Arten aus der Familie der Weißlinge (Pieridae). Bis 1989 wurden alle Populationen der Art Leptidea sinapis (Linnaeus, 1758) zugeordnet. Dann wurde erkannt, dass es sich um einen Komplex zweier kryptischer Arten handelt, die verlässlich nur anhand der Begattungsorgane unterscheidbar sind. Die neu erkannte Art wurde Leptidea reali Reissinger, 1989 genannt (Synonym: Leptidea lorkovicii Réal, 1988). 2011 stellte sich heraus, dass auch das, was vorher L. reali genannt wurde, in Wirklichkeit einen Komplex aus zwei Arten darstellt, die morphologisch überhaupt nicht unterscheidbar sind, sondern nur anhand ihrer DNA-Sequenz. Die dritte Art wurde als Leptidea juvernica Williams, 1946 abgetrennt. Während L. sinapis und L. juvernica weit verbreitet sind und auch in Mitteleuropa vorkommen, ist L. reali auf ein kleines Areal in Südwesteuropa beschränkt.
Der Senfweißling ist ein eher kleiner Weißling mit einer Flügellänge von 19 bis 24 Millimeter. Körper und Flügel sind überwiegend weiß beschuppt. Zeichnung und Färbung unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern (Sexualdimorphismus) und auch zwischen den Generationen (Saisondimorphismus). Beim Männchen sind die Flügeloberseiten reinweiß mit einem schwarzen Fleck auf der Spitze der Vorderflügel. Dieser ist in der ersten Generation größer und reicht meist bis zum Flügelrand. In der zweiten Generation ist er in der Regel kleiner, aber intensiver gefärbt und rund, wobei er nicht den Rand erreicht. Beim Weibchen ist der Fleck weitgehend reduziert, meist sind an der Flügelspitze einige schwarze Schuppen untergemischt, die aber seltener auch völlig fehlen können (als var. erysimi bezeichnet). Die Flügelunterseite ist ausgedehnt grünlichgelb beschuppt und trägt oft unklare, unscharf begrenzte etwas dunklere Flecken oder Binden. Der Kolben der Fühler ist in beiden Geschlechtern überwiegend schwarz gefärbt. Die Spitze ist unscharf begrenzt kastanienbraun mit einem klar erkennbaren, weißen Fleck auf der Unterseite. Die Falter sitzen normalerweise immer mit zusammengeklappten Flügeln.
Leptidea sinapis und L. juvernica (+ L. reali) weisen bei den Männchen der ersten Generation einen gewissen Unterschied in der Ausprägung des schwarzen Apikalflecks im Vorderflügel auf. Der Vorderrand des Flecks ist (bei typischer Ausprägung) bei L. juvernica eher konkav (Fleck am Flügelrand mit einem schwarzen Balken nach vorne verlängert), bei L. sinapis eher konvex (Fleck am Flügelrand durch einen zur Spitze zeigenden weißen Streifen eingezogen). Oft ist L. juvernica insgesamt etwas dunkler gezeichnet als L. sinapis. Diese Merkmale sind aber nur statistisch und werden erst beim Vergleich größerer Serien erkennbar. Einzeltiere sind anhand der Zeichnung nicht sicher bestimmbar.
Die sichere Unterscheidung von L. sinapis und L. juvernica/L. reali ist nur anhand der männlichen und weiblichen Begattungsorgane möglich. Die männlichen sind in eine sklerotisierte Kapsel eingeschlossen. Der Aedeagus von L. sinapis ist deutlich kürzer (nie über 1,74 Millimeter) als derjenige der beiden anderen Arten (länger als 1,82 Millimeter). Dem entspricht beim Weibchen ein kürzerer Ductus bursae; dieser besteht bei der Gattung aus einer einfachen Röhre, die nach oben schwach aufgeweitet ist.
Die anderen Leptidea-Arten sind morphologisch ebenfalls sehr ähnlich und schwer unterscheidbar. In Mitteleuropa ist hier nur der Östliche Senfweißling, Leptidea morsei (Fenton, 1881), zu berücksichtigen, der im äußersten Osten von Österreich (Burgenland und Osten von Niederösterreich und Steiermark), in Tschechien und der Slowakei vorkommt. Diese Art lebt, zumindest im Gebiet, vermutlich monophag an der Schwärzenden Platterbse (Lathyrus niger).
Bemerkenswerterweise erwies sich die Art L. sinapis bezüglich ihrer Chromosomenzahl als nicht stabil. Über das Verbreitungsgebiet konnte eine genetische Kline mit 2n=106 in Spanien bis 2n=56 in Kasachstan nachgewiesen werden. Dabei war die Chromosomenzahl auch innerhalb einzelner Populationen ungleich. Sogar einzelne Individuen erwiesen sich als chromosomal heterozygot. Die Meiose war dadurch nicht beeinträchtigt.