Köcherfliege
Die Köcherfliegen (Trichoptera) bilden eine Ordnung der Insekten innerhalb der Neuflügler (Neoptera) und gehören zu den holometabolen Insekten (Holometabola). Mit etwa 13.000 bekannten Arten ist es die größte primär aquatische Insektenordnung. In Mitteleuropa leben knapp 400 Arten. Aus Europa insgesamt sind 1211 Arten und Unterarten belegt. Die Körperlänge der Tiere beträgt zwischen 1,5 und 40 mm, die Flügelspannweite zwischen 3,5 und 68 mm. Die kleinsten mitteleuropäischen Arten gehören zur Familie Hydroptilidae (ca. 3 mm, Flügellänge ca. 5 mm). Größte mitteleuropäische Art ist Phryganea grandis (Phryganeidae) mit 60 mm.
Ein auffälliges Merkmal der Köcherfliegen sind die mehr oder weniger stark behaarten Flügel, von denen sich der Name dieser Ordnung ableitet (griechisch Trichos ‚Haar‘ und griech. Pteron ‚Flügel‘). Diese sind in Ruhe dachartig auf den Hinterleib der Tiere gelegt. Bei einigen Arten können diese Flügel jedoch verkümmert sein oder ganz fehlen (nicht in Mitteleuropa). Die Vorderflügel sind meist bräunlich oder gelblich gefärbt (manchmal weißlich oder schwarz, selten auch farbig) und oft gefleckt oder gemustert. Die Vorderflügel sind meist länger als die Hinterflügel. Da diese breiter sind, ist ihre Fläche nahezu gleich groß. Im Flug sind die Flügel durch als Koppelungsmechanismus wirkende Häkchen und Borsten miteinander verbunden und bilden eine funktionale Einheit. Wenige Köcherfliegen tragen Schuppen auf ihren Flügeln, z. B. die afrikanische Art Pseudoleptocerus chirindensis, ähnlich Schmetterlingen. Der Körper der Köcherfliegen ist mehr oder weniger lang gestreckt. Am Thorax sitzen drei meist lange und schlanke Beinpaare. Lange dornartige Fortsätze („Sporne“) an der Tibia sind ein wichtiges Merkmal zur Unterscheidung der Familien. In manchen Familien sind die Mittelbeine der Weibchen als Schwimmbeine abgeplattet (zur Eiablage). Der Hinterleib ist walzenförmig. Am Hinterende des Hinterleibs sitzen die Kopulationsorgane, die vielfältig umgebildet sind und das wichtigste Merkmal zur Bestimmung der Arten darstellen. Seitlich am Kopf sitzen meist recht große und gut entwickelte Komplexaugen, die 3 Stirnaugen (Ocellen) können je nach Familie vorhanden sein oder auch fehlen. Die Fühler sind schnurförmig und meist sehr lang, ihre Länge kann die Körperlänge deutlich übersteigen. Die Köcherfliegen besitzen leckende Mundwerkzeuge, wobei die Mandibeln vollständig fehlen oder rudimentär und funktionslos sind. An den Maxillen sind große, beinartige Palpen ausgebildet, die manchmal peitschenförmig verlängert sein können. Die Unterlippe (Labium) ist ausstülpbar und bildet ein so genanntes Haustellum. Dieses trägt am Vorderende (aus dem Prämentum als Teil des Labiums gebildet) viele kleine Haare (Mikrotricha), die ein System verbundener Kanälchen bilden. Am Hinterende gehen sie in eine Rinne über, deren obere Hälfte vom Epipharynx (Innenseite des Clypeolabrums) gebildet wird und die zur eigentlichen Mundöffnung, die verborgen im Inneren liegt, hinführt. Das Haustellum kann durch Druckanstieg der Haemolymphe ausgefahren und durch Muskeln wieder eingefahren werden. Mit ihm sind die Tiere in der Lage, durch Kapillarkräfte Wasser und Nektar aufzusaugen. Allerdings nehmen die erwachsenen Köcherfliegen bei manchen Arten überhaupt keine Nahrung auf (z. B. Enoicyla, Fam. Limnephilidae: Lebensdauer der Imagines hier ca. 14 Tage). Die Lebensdauer des geflügelten Imaginalstadiums beträgt bei den meisten Arten ca. 4 Wochen. Bei Arten mit Imaginal-Diapause kann sie 5 bis 6 Monate betragen.
Im Gegensatz zur Schwestergruppe, der Ordnung der Schmetterlinge, haben Köcherfliegen „behaarte“ Flügel und tragen keine Schuppen; ein Saugrüssel fehlt ihnen.
Die Larven der Köcherfliegen leben aquatisch, mit wenigen Ausnahmen: die einzige mitteleuropäische Gattung, deren Larven terrestrisch leben, ist Enoicyla (Fam. Limnephilidae). Die weitaus meisten sind Bewohner der Fließgewässer, wo sie zu den wichtigsten und artenreichsten Bewohnern des Makrozoobenthos gehören, in Bächen sind sie in der Regel zusammen mit oder knapp nach den Zweiflüglern die individuen- und artenreichsten Besiedler. Die Artenzahl in einem (nicht abwasserbelasteten) Bach beträgt bei strukturarmen Tieflandsbächen etwa zehn, sie kann in Gebirgsbächen fünfzig Arten schon in einer kurzen Gewässerstrecke übersteigen. Die einzelnen Arten sind meist auf bestimmte Gewässerabschnitte spezialisiert, wobei von Quellen und Quellbächen (Krenal) über Bäche (Rhithral) bis zu Flüssen (Potamal) alle Abschnitte artenreich besiedelt sind. Besonders artenreich sind mittelgroße Bachabschnitte und kleine Flüsse.